Köln, wir müssen reden! Report vom 05. November 2018

Steuerpolitik in den Fängen der Lobby?

Gastredner: Norbert Walter-Borjans, ehem. Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen

Ort: Zum Bunten Hund, Bülowstraße 62, Köln-Nippes

Köln, wir müssen reden. ist ein vom Landtagsabgeordneten Jochen Ott und der SPD Nippes veranstalteter Kneipentalk. Jeden Montagabend ein neuer Gast und ein neues Thema: Auf 20 Minuten Impulsvortrag folgen 70 Minuten Diskussion in entspannter Atmosphäre – Aktiv mitmachen, Fragen stellen und mitdiskutieren ausdrücklich erwünscht!

Am 05.11.2018 durfte „Köln, wir müssen reden“ den ehemaligen Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, begrüßen. Diskutiert wurde über den Einfluss von Lobbyisten auf Bürger*innen und Politik und die Frage nach einer gerechten Steuerpolitik.

Steuerpolitik ist ein Thema, um das viele einen Bogen machen, obwohl es alle angeht. Mit dem Hinweis auf die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland wird oft erklärt, es müsse doch allen gutgehen. Das ist jedoch ein Trugschluss: Die Schere zwischen den Einkommenszuwächsen der Reichen und der prekären Situation der Armen geht immer weiter auseinander, diese Ungleichheit ist in Deutschland ungewöhnlich stark verfestigt. Eine gerechte Steuerpolitik kann ein Instrument sein, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Eine weitere Legende ist, dass eine Steuerentlastung für Gutverdienende sich selbst durch den darauffolgenden Wirtschaftsaufschwung finanziere. Stattdessen ist die Staatsverschuldung der Bundesrepublik durch die Absenkung des Spitzensteuersatzes stark gestiegen. Die Steuersenkung hat ein Loch in den Staatshaushalt gerissen, weitere Steuersenkungen würden dazu führen, dass an anderer Stelle Mittel fehlen. Der Bevölkerung müsse der Sinn von Steuern noch einmal deutlicher vermittelt werden. Wir brauchen einen funktionierenden Staat, da von diesem alle profitieren – insbesondere Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen, die auf die Infrastruktur des Staates angewiesen sind.

Die Lobbyverbände beeinflussen Politik im Interesse der Minderheit der Reichen in der Bevölkerung, verkaufen das aber als Politik für die Masse. Dieser Unehrlichkeit und Instrumentalisierung der Bevölkerung müsse entgegengewirkt werden. Eine These dazu ist: Es gebe nicht zu viel Lobby, sondern nur zu wenig Lobby der Gegenseite, die die Interessen der Menschen mit kleineren Einkommen vertritt. Es brauche verständliche Botschaften, die die Leute auch überzeugen. Die alten Werte der Sozialdemokratie taugen immer noch für gerechte Lösungen, damit müsse ein Gegengewicht in der Steuerpolitik geschaffen werden, denn die hochbezahlte Lobby werde nicht verschwinden. Ein öffentlicher Druck komme nur zustande, wenn die Bürger deren Einfluss auch erkennen können – dafür müsse in der Öffentlichkeit über eine gerechte Steuerpolitik diskutiert werden, nicht nur in Behörden und Fachgremien.

Schreibe einen Kommentar