Köln, wir müssen reden! Report vom 25. Juni 2018

Straßenfeste – Kommerz-Ramsch oder Veedels-Charme?

Gastredner: Ralf Schlegelmilch, Vorsitzender der Willi Ostermann Gesellschaft Köln 1967 e.V.

Ort: Zum Bunten Hund, Bülowstraße 62, Köln-Nippes

Köln, wir müssen reden. ist ein vom Landtagsabgeordneten Jochen Ott und der SPD Nippes veranstalteter Kneipentalk. Jeden Montagabend ein neuer Gast und ein neues Thema: 20 Minuten Impulsvortrag folgen 70 Minuten Diskussion in entspannter Atmosphäre – Aktiv mitmachen, Fragen stellen und mitdiskutieren ausdrücklich erwünscht!

In einer vom Karneval geprägten Stadt wie Köln ist das Thema Straßen- bzw. Veedelsfeste allgegenwärtig. Sie können ein Kulturgut darstellen, welches ein Veedel mit auszeichnet. Entsprechend freute sich Köln, wir müssen reden besonders auf Ralf Schlegelmilch, den Vorsitzenden der Willi Ostermann Gesellschaft. In der Diskussion mit den anwesenden Gästen spielte dabei ortsbedingt das von der Nippeser Bürgerwehr ausgerichtete Straßenfest im anliegenden Stadtteil eine besondere Rolle. Grundsätzlich erlebt Köln über das Jahr viele große und kleine Feste. Im Gegensatz zu vielen anderen, kleineren Veedelsfesten ist das Fest in Nippes eines, das Besucher über Quartiersgrenzen hinaus anzieht.

In seinem Impulsvortrag gab Herr Schlegelmilch einen kurzen Blick hinter die Kulissen der Organisation von großen und kleinen Straßenfesten in Köln. Dabei nannte er einige Aspekte, wie z.B. die Tatsache, dass Köln die „Leuchttürme“ unter seinen Großveranstaltungen mitunter kleinrede. In anderen Städten würden Veranstaltungen, wie z.B. das Oktoberfest in München, einen höheren Stellenwert genießen. Zudem habe die Stadt in der Vergangenheit schon parallel laufende Großveranstaltungen genehmigt, was sich für deren Erfolg als Fehlgriff erwiesen habe.

Die im Anschluss an den Kurzvortrag von Herrn Schlegelmilch intensiv geführte Diskussion befasste sich vor allem mit der inhaltlichen Grundlage, der Wirtschaftlichkeit und damit verbunden der Ausrichter*innenproblematik von Straßenfesten. Gerade größere Straßenfeste liefen Gefahr, ihre Identität zu verlieren und austauschbar zu werden. Nach Meinung vieler Anwesenden gründe diese Auffassung vor allem in einer zunehmenden Kommerzialisierung. Auf der anderen Seite wurde betont, dass Straßenfeste ohne Sponsoren kaum realisierbar seien. Sponsoring sei allerdings dann besser mit dem Charakter des Festes vereinbar und könne mitunter identitätsstiftend wirken, wenn lokale Sponsoren aufträten.

Für das Gelingen und für den Mehrwert eines Festes sei es besonders wichtig, lokale Inhalte zu betonen. Gerade zu kleineren Festen gehöre, so der Konsens unter den Anwesenden, Qualität im Sinne von Gemeinschaft und Nachbarschaft. Der Anspruch eines Straßenfestes müsse es sein, Anwohner*innen mit einzubeziehen. Sobald es darum gehe, mit einem Straßenfest im Veedel Geld zu verdienen, leide die Qualität. Beim Fest der Nippeser Bürgerwehr, wie bei vielen anderen, seien die Standplätze vor den lokalen Geschäften für eben diese Geschäfte reserviert. Auch wenn Straßenfeste kein Rettungsmittel für den Einzelhandel seien, könnten sie diesbezüglich dennoch unterstützend wirken.

Herrn Schlegelmilch zufolge sei Engagement für die Stadt und ihre Veedel ein zentraler Beweggrund vieler Ausrichter*innen, da die Möglichkeiten, mit Straßenfesten Geld zu verdienen, gering ausfielen. Gründe hierfür lägen u.a. in rechtlichen Auflagen, Anforderungen an Sicherheitskonzepte und GEMA-Gebühren. Dies, sowie die mit der Übernahme von Verantwortung verbundene Frage der Haftung, resultiere letzten Endes darin, dass man nur schwer Ausrichter*innen gewänne, deren primäres Ziel kein wirtschaftlicher Profit sei. Die Gäste stimmten allerdings weitgehend überein, dass eine Profitorientierung wiederum den speziellen Charakter eines Straßenfestes in den Hintergrund drängen könne. In Zeiten des Strukturwandels und abnehmender Organisationsgrade in Quartieren sei es zudem schwer, Ausrichter*innen für die kleineren Feste zu finden. „Kleine“ Veedel außerhalb der bekannten, hoch frequentierten, und ihre Straßenfeste lebten vom Vernetzungsgrad und Engagement der Anwohner*innen und Vereine. Damit ein Straßenfest gelänge, müssten Anwohner*innen und Bürger*innenvereine mit einbezogen werden. Fehle dieser Bezug, verschwänden auch die Feste, da sich ihre Ausrichtung für kommerzielle Anbieter*innen nicht lohne.

Nach Meinung der Anwesenden solle ein wirtschaftlicher Gewinn nicht das Ziel der Ausrichtung eines Straßenfestes sein. Vor diesem Hintergrund wurde die Idee der Gemeinnützigkeit als Grundvoraussetzung für die Ausrichtung von Straßenfesten diskutiert. Dabei könnten Erlöse einem lokalen, gemeinnützigen Zweck zugeführt werden. Einzelne beteiligte kommerzielle Akteure könnten entsprechend ebenfalls dazu verpflichtet werden, diesen Zweck zu unterstützen. Dies löse allerdings die Ausrichter*innenproblematik nicht. In der Summe lebten große und kleine Straßenfeste also vom Engagement der Ausrichter*innen, egal ob ehrenamtlich oder profitorientiert. Die Kunst sei dabei, den Spagat auf der einen Seite zwischen einem Fest, welches die Identität des Veedel wahre und den Bürger*innen einen Mehrwert biete, sowie auf der anderen Seite der wirtschaftlichen Kostendeckung zu schaffen. Daran würden derzeit noch viele Feste scheitern.

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