Westdeutschland

Liegt Finsterdeutschland im Osten?

Liegt Finsterdeutschland im Osten?

Köln, wir müssen reden! Report vom 16. September 2019

Gastredner: Albrecht Schröter, ehem. OB der Stadt Jena

Ort: Zum Bunten Hund, Bülowstraße 62, Köln-Nippes

„Köln, wir müssen reden“ ist ein vom Landtagsabgeordneten Jochen Ott und der SPD Nippes veranstalteter Kneipentalk. Jeden Montagabend ein neuer Gast und ein neues Thema: Auf 20 Minuten Impulsvortrag folgen 70 Minuten Diskussion in entspannter Atmosphäre – Aktiv mitmachen, Fragen stellen und mitdiskutieren ausdrücklich erwünscht!

Am 16.09.2019 durfte „Köln, wir müssen reden“ Albrecht Schröter, den ehemaligen SPD-Oberbürgermeister der Stadt Jena, begrüßen. Diskutiert wurde über die grundlegende Frage, inwiefern der Osten mit dem Westen tangiert und wie wir es schaffen, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution, die Wiedervereinigung weiter voran zu bringen.

Der Mauerfall jährt sich dieses Jahr zum 30. Mal und trotzdem ist „der Osten“ immer noch Zielscheibe für Hohn und Spott „aus dem Westen“. Dies empfindet nicht nur der ehemalige OB von Jena Albrecht Schröter als besorgniserregend und ist um Aufklärung bemüht. Denn durch die friedliche Revolution vor 30 Jahren erfuhren die neuen Bundesländer einen radikalen Strukturwandel.

Im Zuge der Vereinigung des politischen sowie ökonomischen Systems und der Öffnung der Grenzen zwischen DDR und BRD wurde das Leben für die Menschen der ehemaligen DDR auf den Kopf gestellt. Das Resultat dieses Wandels waren zahlreiche Auswanderungen von vor allem jungen Menschen in Richtung Westen und massiver Stellenabbau in ehemaligen DDR-Betrieben. Hier wünscht sich Albrecht Schröter mehr Empathie und Verständnis aus den alten Bundesländern und verweist darauf, dass aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung und Globalisierung ein erneuter Strukturwandel der ganzen Republik bevorstehe.

Der Wandel einer Gesellschaft ist die Folge einer sozio-ökonomischen Revolution. Wie vor hundert Jahren, wo durch die Industrialisierung Verwerfungen in der Gesellschaft entstanden, so erleben wir auch heute durch die fortschreitende Digitalisierung/Globalisierung einen erneuten Umbruch in der Gesellschaft. Aufgrund dieses Umbruchs befürchten viele Menschen, von der „modernen Welt“ abgehängt zu werden.

Diese Ängste sind seit jeher Nährboden für Populistische Kräfte. So ist es kein Wunder, dass die AfD vor allem im Osten in den letzten Jahren so erstarkt ist. Es ist jedoch wichtig, dass eine Differenzierung zwischen den AfD-Wählern erfolgt, denn nicht jede/r AfD-Wähler/in ist ein/e Rechtsextremist/in, sondern ein/e Wähler/in, der erhofft, durch „Protestparteien“ (so wie sich die AfD selbst sieht) erhört zu werden, beziehungsweise den regierenden Parteien einen Denkzettel zu verpassen. Allerdings muss man auch aufzeigen, dass auch diese Bürgerinnen und Bürger gewillt sind oder es ihnen gleichgültig ist, Menschen mit rechtextremen Gedankengut oder Faschisten in eine demokratische Institution zu wählen.

Dieser markante Umschwung gepaart mit der Lädierung der DDR-Historie resultierte darin, dass viele Menschen das Gefühl verspürten, dass ihnen die Identität geraubt wurde bzw. ihre Vergangenheit. Dies und die empfundene Arroganz des „Westens“ könnten dazu führen, dass sich „Ostdeutsche“ als Bürger 2. Klasse sehen. Hier muss die Politik anpacken, meint Albrecht Schröter und wünscht sich, dass der Osten mehr in das Bewusstsein der Bundespolitik als auch in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger gerückt wird. Er betont, dass dazu glaubwürdige Politikerinnen und Politiker unentbehrlich sind, die dieser Aufgabe auch gerecht werden. Denn nichts ist bedrohlicher als eine Institution, die sich Demokratie nennt, von der sich ihre Bürgerinnen und Bürger abgewendet haben. So ist es essenziell, dass wir diese Probleme gemeinsam und entschlossen angehen und dafür sorgen, dass in Zukunft auch dieser Bruch der Vergangenheit angehört.

Posted by Daniela Richardon in Veranstaltungsberichte, 0 comments