Schule

Bildung neu denken – Ideen für die Schule nach Corona

Bildung neu denken – Ideen für die Schule nach Corona

In diesem Schuljahr haben die Kinder bisher häufiger zu Hause als in der Schule gelernt. Das lief – zumindest in unserer Familie – mehr gut als schlecht. Woran das liegt? Es liegt an dem eigenen Zimmer, dem eigenen Laptop, an den Eltern, die ebenfalls im Homeoffice arbeiten und somit vor Ort sind bei inhaltlichen Fragen, technischen Problemen oder bei Lust auf ein „Pausenbrot“.

Aber vor allem liegt es an der engagierten Klassenlehrerin, die meinen Jungen regelmäßig anruft, tolle Padlets erstellt, alles Eingereichte lobt und sogar digital in einer Klassen-Galerie ausstellt, Videokonferenzen mit Grundschülerinnen durchführt. Eine Lehrerin, die einfach super ist: engagiert, empathisch, motivierend.

Als Lehrerin habe ich aber auch die andere Seite des digitalen Unterrichts und vor allem des Aussetzens der Präsenz vor Ort erlebt:

Kinder, die nicht erreichbar sind, die morgens nicht geweckt werden, die sich zusammen mit Geschwistern ein Zimmer teilen müssen oder gar auf sie aufpassen, da die Eltern arbeiten müssen. Kinder, die mit den Aufgabenstellungen alleine gelassen werden, die ausschließlich mit dem kleinen Display eines Handys und mit instabilem W-lan arbeiten müssen und dann auch noch mit schlechten Noten oder gar Bußgeldern wegen Nicht-Teilnahme am digitalen Unterricht konfrontiert werden.

Wie können wir diese positiven und negativen Erfahrungen und Ansätze der Coronakrise in zukunftsweisende Ideen umwandeln?

Bestätigt wurde meines Erachtens, dass der persönliche Kontakt und die Beziehung von der Lehrerin zu den Kindern sehr wichtig ist. Sowohl mein Sohn, als auch meine Schülerinnen arbeiteten immer dann „gut“ und motiviert, wenn diese mit persönlichen Kontakten oder einer persönlichen Motivation begleitet wurden. Leben und Lernen funktioniert nicht ohne Emotionen. Wird ein Lerninhalt mit Emotionen verbunden, erhält er eine Bedeutung für den individuellen Lernerfolg und wird längerfristig gespeichert.

Nicht erst seit der Hattie-Studie wissen wir, dass personenbezogene Faktoren (z.B. sozioökonomischer Status, Engagement des Elternhauses, Beziehung zur Lernperson) bedeutend für die Vorhersage des individuellen Lernerfolges sind.

Auch der Bestseller-Autor Aladin El-Mafaalani bringt es auf den Punkt in seinem Werk „Mythos Bildung – Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft“: Wir lernen erst, wenn zwei Komponenten vorhanden sind.“ Zum Einen müssen wir uns die Welt aktiv durch Lernen und persönliche Erfahrung mit dem Bildungsgegenstand aneignen; zum Anderen ist es vonnöten, das theoretisch Erlernte mit sich selber in Beziehung zu setzen. Erst damit erhält das Gelernte einen Wert und wird verinnerlicht. Nur so kann es gelingen, bedeutsames Wissen und Kompetenzen zu erlangen.

Und für beides brauchen wir Schule in Präsenz, empathische Lehrerinnen und die Möglichkeit, das Erlernte anzuwenden, auszuprobieren, in Beziehung zu setzen. Dafür benötigen wir soziale Kompetenz, sie ist neben der emotionalen Kompetenz die Grundlage für alle Interaktionen, also insbesondere auch für das Lernen. Ich wünsche mir für die Schule der Gegenwart, dass der Erwerb kommunikativer, methodischer und sogenannter Selbstkompetenzen im Vordergrund steht. Schülerinnen sollen in der Lage sein, ihr eigenes Lernen zunehmend selbst zu steuern und zu reflektieren.
Ich wünsche mir ein „Shift from teaching to learning“ – weg vom Unterrichten hin zum Lernen.

Digitalisierung ist nicht erst seit der Corona-Pandemie „in aller Munde“.

Doch was heißt eigentlich Digitalisierung im Bereich Bildung? IPad-Klassen, digitaler Unterricht, einmal die Woche in den Informatikraum gehen? Eben nicht. Digitalisierung muss institutionalisiert sein, von Anfang an mitgedacht werden und in allen Fächern „vorkommen“.

Wir brauchen eine nachhaltige Implementierung in allen Fächern, mit Hilfe derer der Umgang mit dem Internet erlernt wird. Hilfsmittel (Word, Exel, ect) sollen fortwährend in allen Fächern erlernt und angewand werden. Genauso wichtig ist aber auch der empathische Umgang mit Cybermobbing, dem Verständnis der Gefahren von Tic-Toc und anderen Plattformen.

Es gibt eben keine Trennung zwischen der Welt der Familie/des Umfelds, der Schule und der eigenen digitalen Welt. Das alles sollten wir verantwortlich miteinander verknüpfen, damit unsere Kinder ganzheitlich lernen.

Ich wünsche mir, nach der Corona-Pandemie mehr denn je, eine ganzheitliche, gerechte Schule, in der die Welten unserer Kinder nicht künstlich getrennt, sondern ganzheitlich betrachtet und gelehrt werden.

Aus dem OV-Vorstand: Iris Frerich

Posted by Daniela Richardon in Gedanken aus dem Vorstand, 3 comments